Am 12. Mai 2023 hat der Bundesrat dem Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes zugestimmt und damit unter anderem eine vierte Staffel der Ausgleichsabgabe für Arbeitgeber eingeführt, die trotz Beschäftigungspflicht keinen einzigen Menschen mit Schwerbehinderung beschäftigen. Dieser Schritt war richtig und wichtig. Doch das Gesetz spricht wesentliche Aspekte nicht an, die einen inklusiven Arbeitsmarkt ausmachen. Dies und dass ein viel grundsätzlicherer Reformbedarf besteht, geht aus einer aktuellen Information der Monitoring-Stelle UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) hervor, die sich mit der Allgemeinen Bemerkung Nr. 8 befasst und deutlich macht, dass die Beschäftigung unterhalb des Mindestlohns unzulässig ist.
In der Allgemeinen Bemerkung Nr. 8 hat sich der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen im September 2022 zum Recht auf Arbeit und Beschäftigung nach Artikel 27 der UN-Behindertenrechtskonvention geäußert und Handlungsempfehlungen für die Vertragsstaaten entwickelt. Diese sind nach Ansicht der beim Deutschen Institut für Menschenrechte angesiedelten Monitoringstelle UN-BRK insbesondere für Deutschland mit seinen etablierten zahlreichen besonderen Beschäftigungsformen für Menschen mit Behinderungen höchst relevant und in ihrer Bedeutung kaum zu überschätzen.
Artikel 27 bisher nicht umgesetzt
Unter welchen Bedingungen Beschäftigungsverhältnisse von Menschen mit Behinderungen als segregiert und daher als nicht zulässig anzusehen sind, führt die Allgemeine Bemerkung Nr. 8 aus. Auf das deutsche Werkstattsystem treffen nach Ansicht der Monitoringstelle gleich mehrere dieser Kriterien zu – etwa die fehlende Förderung des Übergangs auf den offenen Arbeitsmarkt, die Versagung des Mindestlohns für Beschäftigte und das Fehlen regulärer Arbeitsverträge. Damit stehe für die Monitoringstelle unmissverständlich fest: „Die Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen ist als segregierte Beschäftigung anzusehen, kann nicht als Teil eines inklusiven Arbeitsmarkts betrachtet werden und darf nicht dazu führen, die Beschäftigten unterhalb des geltenden Mindestlohns zu entlohnen.“
Beschäftigungsverhältnisse von Menschen mit Behinderungen weiterhin oft prekär und segregiert
Dass das Recht auf umfassende gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen auf Hindernisse stößt, zeige sich laut Ausschuss an weiterhin bestehenden hohen Arbeitslosenquoten, unterdurchschnittlichen Löhnen, mangelnder Zugänglichkeit des Arbeitsumfelds und einer höheren Wahrscheinlichkeit, in prekären Beschäftigungsverhältnissen zu arbeiten. Noch gravierender würden diese Barrieren, wenn zu einer Behinderung weitere Merkmale beziehungsweise Zuschreibungen wie Alter, biologisches und soziales Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit und Wohnort hinzukommen.
Erheblicher Reformbedarf auch in der schulischen und beruflichen Bildung
Aus der Allgemeinen Bemerkung Nr. 8 geht der Presseinformation der Monitoringstelle UN-BRK zufolge ferner deutlich hervor, dass es in Deutschland dringend mehr inklusive Alternativen für Menschen mit Behinderungen bei Ausbildung und Beruf braucht. Sie zeige, dass Deutschland noch ein erhebliches Stück des Weges zu gehen hat, bis von einem inklusiven Ausbildungs- und Arbeitsmarkt gesprochen werden kann. Bund und Länder dürften deshalb nicht nachlassen, bisherige gute Ansätze konsequent weiterzudenken. Des Weiteren gelte es, auch etablierte Strukturen grundsätzlich zu hinterfragen und so umzugestalten, dass sie im Einklang mit den in der UN-BRK formulierten menschenrechtlichen Vorgaben stehen. Grundlage zu Umsetzung des Rechts auf Arbeit sei außerdem eine inklusive Schulbildung, die zu einer anerkannten Ausbildung qualifiziere, vielen Kindern mit Behinderungen aber weiterhin versagt werde.
Weitere Infos gibt’s unter:
Das Recht auf Arbeit und Beschäftigung
Bericht von Ottmar Miles-Paul, Kobinet